Meine Rede zu meinem Antrag zum Schutz gegen häusliche Gewalt

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Gleich zu Beginn möchte ich etwas richtigstellen, was die Vorrednerin vor der AfD offensichtlich nicht richtig verstanden hat: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie gesagt, die Aufklärungsquote von Vergewalti-gungen liegt bei uns bei 1Prozent. Da sind Sie offensichtlich nicht richtig informiert. Nach meiner Kenntnis liegt sie bei 80 Prozent, im Jahr 2019 lag sie bei 84 Prozent –so viel zu Ihren Rechtskenntnissen.

Jetzt aber zum Thema häusliche Gewalt an sich! Häusliche Gewalt ist nicht nur ein Thema in Coronazeiten, aber ganz besonders jetzt in Coronazeiten. Ich freue mich insoweit, dass die SPD unsere grüne Initiative hier zur Priorität gemacht hat. Es gibt mehr häusliche Gewalt während Corona, das haben meine Vorrednerinnen schon festgestellt. Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr waren die Zahlen noch recht verhalten, seit dem Sommer haben sie aber stark zugenommen. Mit dem jetzt länger andauernden Lockdown müssen wir noch mit sehr viel schlimmeren Zahlen rechnen. Der Lockdown führt dazu, dass wir in zunehmender Ge-reiztheit miteinander leben. Das Zusammenhocken in den Wohnungen, finanzielle Sorgen, Kinder, die nicht mehr in der Kita betreut werden können – all das verursacht massiven psychischen Druck. Hinzu kommt in Zeiten des Lockdowns die Gefahr des unentdeckten Missbrauchs gerade bei Kindern. Wenn Kitas und Schulen geschlossen sind, guckt keiner mehr so genau hin. Es gibt das sogenannte Dunkelfeld, also die Gewaltvorfälle, die noch gar nicht bekannt sind. Diese Dunkelziffern sind wahrscheinlich sehr hoch.

Ich konnte kürzlich im Abgeordnetenhaus ein Fachgespräch mit Familienrichterinnen führen – natürlich digital. Dort wurde von den Familienrichterinnen ein besonders krasses Problem benannt: Es gibt nämlich nicht nur mehr Fälle häuslicher Gewalt, es gibt besonders sehr viel krassere Fälle im Moment. Es werden viel schlimmere Taten ausgeübt, gerade in Bezug auf die Kinder. Dies bestätigten auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gewaltschutzambulanz, die ich kürzlich – natürlich ebenfalls digital – besuchen konnte. Die Wichtigkeit der Ar-beit der Gewaltschutzambulanz wurde hier schon mehrfach ausgeführt.

Was können wir nun also tun, um dem Problem entgegenzutreten? Die Voraussetzungen, die während der Pandemie zu mehr Gewalt in Beziehungen führen, können wir nicht ändern. Wir können die Enge in den Woh-nungen nicht ändern, wenn wir Ausgangsregelungen brauchen. Wir können jedoch besser fürdie Opfer sorgen, und wir können auch bei der Prävention ansetzen. Beide Ansätze verfolgen wir mit unserem Antrag. Wir als Koalition tun also etwas sehr Konkretes gegen häusliche Gewalt.

Zunächst möchten wir speziell geschulte Einsatzkräfte, und zwar mehr davon, bei der Polizei. Denn Polizisten und Polizistinnen sind oft die Ersten, die mit Fällen Abgeordnetenhaus von Berlin18. WahlperiodeSeite 8450Plenarprotokoll 18/7128. Januar 2021häuslicher Gewalt konfrontiert sind, wenn sie gerufen werden. Sie treffen vor Ort oft auf eine unübersichtliche Familiensituation. Anzeigen werden bei Eintreffen der Polizei manchmal zurückgezogen, Gewaltvorfälle und blaue Flecken manchmal plötzlich versteckt. Hier gilt es für die Einsatzkräfte der Polizei, sensibel zu reagieren, den Sachverhalt jedoch auch entschlossen aufzuklären. Wir wollen mit der Stelle Opferschutzbeauftragte stärken und das im Aufbau befindliche Projekt „proaktiv –Servicestelle für Betroffene von Straftaten“ stützen, außer-dem, wie schon erwähnt, die Gewaltschutzambulanz. Das ist alles richtige Opferschutzarbeit.

Mirliegt neben dem Opferschutz jedoch auch etwas anderes sehr am Herzen, nämlich die Täterarbeit. Das hat mein Kollege von der SPD ja auch schon erwähnt. Es hört sich für viele anfangs vielleicht unverständlich an, wenn wir mit den Tätern und Täterinnen –solche gibt es übrigens auch –arbeiten wollen. Täterarbeit ist jedoch meines Erachtens sehr wichtig. Denn nur, wenn wir mit den Tätern arbeiten, beugen wir weiteren Gewaltvorfällen wirklich vor.

Ich bin überzeugt davon, dass wir nur durch Täterarbeit langfristig häusliche Gewalt verringern können, denn gerade Frauen schaffen es oft nicht, sich aus gewaltge-prägten Beziehungen zu lösen. Es gibt Partnerschaften –das weiß ich auch aus meiner Anwaltstätigkeit –, in de-nen immer wieder zugeschlagen wird, auch wenn es heißt, so etwas soll nie wieder vorkommen. Daher müssen wir mit den Tätern arbeiten und präventiv vorgehen.Daher freue ich mich über den Aufbau der Servicestelle Täterkontakt bei der Senatsverwaltung für Justiz, die die Aufgabe hat, mit Täterinnen und Tätern zu arbeiten und aktiv auf diese zuzugehen. Die Justizverwaltung tut hier also etwas sehr Konkretes gegen die häusliche Gewalt.

Sorge macht mir allerdings derzeit während der Pandemie besonders das eingangs schon erwähnte Dunkelfeld, also die nicht bekannten Fälle. Ich unterstütze den Appell der Fachleute an die Bevölkerung, auf das eigene Umfeld zu achten.Menschen, die Hilfe benötigen und sie sich selbst nicht holen können, müssen wahrgenommen werden. Wir alle müssen derzeit verstärkt aufeinander achten. Wir müssen hinhören, wenn etwas Auffälliges geschieht, und unsere Hilfe anbieten. Notfalls müssen wir auch Hilfe holen. Wir dürfen nicht weghören.

Vielen Dank!

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