Bericht: Rechtsausschuss vom 08.06.2022

In dieser Sitzung ging es um den Bericht von der letzten Justizministerkonferenz, Straftaten gegen Homosexuelle, die Änderung des Hochschulgesetzes und Rassismus gegen Sinti*ze und Rom*nja.

Punkt 1 der Tagesordnung

Aktuelle Viertelstunde

Die Justizsenatorin Frau Dr. Kreck berichtete von der vergangenen Justizministerkonferenz. Dort wurde beschlossen, den Bundesrat dazu aufzufordern, neue Lösungsansätze für eine Reduzierung von Ersatzfreiheitsstrafen zu finden. Auch ein Beschlussvorschlag zur Reform des Tatbestands „Erschleichen von Leistungen“ (§ 265a StGB) ist eingereicht worden. Weitere Abstimmungen erfolgten unter anderem zur Verbesserung der Bekämpfung antisemitisch motivierter Straftaten, der Stärkung der psychosozialen Prozessbetreuung und der Unterstützung der Digitalisierung der Justiz.

Auf die Frage nach der Quote von Schwerbehinderten in landeseigenen Unternehmen verwies die Senatorin darauf, dass Berlin mit 6,01% im Jahr 2021 über der vorgegebenen Pflichtquote von 5 % liege. Bei gleicher Eignung würden schwerbehinderte Menschen bei Einstellungen bevorzugt. Die notwendigen Hilfen am Arbeitsplatz würden gestellt.

Das Anti-Gewalt-Projekt MENEO berichte von 731 Fällen von Bedrohung, Nötigung, Körperverletzung und Beleidigung gegen homosexuelle und bisexuelle Männer im Jahr 2021. Die Justizsenatorin bewertet die steigenden Fallzahlen als ein Zeichen dafür, dass die Maßnahmen des Senats greifen und die Anzeigenbereitschaft und damit das Vertrauen in die staatlichen Stellen zunehmen. Die Beratungsstellen würden diese Einschätzung teilen. Der Berliner Aktionsplan sehe eine bedarfsgerechte Beratung, die Begleitung und das Empowerment Betroffener und die Erhöhung der Anzeigenbereitschaft und Erhellung des Dunkelfeldes vor. Es sei beabsichtigt, die unter prekären Verhältnissen arbeitenden Beratungsstellen strukturell abzusichern.

Punkt 2 der Tagesordnung

Vorlage zu Beschlussfassung – Drs. 19/0310

Gesetz zu Fortschreibung des Berliner Hochschulgesetzes

Das Gesetz dient der Konkretisierung von Bestimmungen des Berliner Hochschulgesetzes. Diese Normen sind durch das Gesetz zur Stärkung der Berliner Wissenschaft am 14.09.2021 geändert worden, um insbesondere die Karrierewege von wissenschaftlichen Mitarbeitenden durch die Schaffung des Rechtsinstituts der Anschlusszusage zu verbessern.

Schon die Änderung im letzten Jahr begegnete verfassungsrechtlichen Bedenken. Begründet wurden diese mit einer vermeintlichen fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin und der mangelnden Einbeziehung der Hochschulen in das Gesetzgebungsverfahren.

Nach den Rechtsgutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, der Gewerkschaft für Erziehung und der Humboldt-Universität unterliegt die streitige Bestimmung jedoch nicht der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes, weil die Berliner Norm einen anderen Sachverhalt als der Bund mit seiner Vorschrift zur befristeten Beschäftigung bei Qualifikationsstellen geregelt hat. § 2 Abs. 1 Satz 2 des Wissenschaftszeitvertragsgesetz ist nämlich keine arbeitsrechtliche Norm, sondern eine Anweisung an die Hochschulen zur Ausübung ihrer Personalhoheit.

Das Gesetzgebungsverfahren ist auch nicht fehlerhaft, weil die Hochschulen bereits bei Erstellung des Referentenentwurfs gehört wurden und im Ausschuss für Wissenschaft und Forschung am 16.05.2022 angehört wurden.

Die Opposition hat Normenkontrollklage vor dem Landesverfassungsgericht eingereicht.

Die Gesetzesvorlage wurde dennoch mit Mehrheit angenommen.

Punkt 3 der Tagesordnung

Rassismus gegen Sinti*ze und Rom*nja in Berlin – aktuelle Situatation, Beratungs- und Empowermentangebote sowie Präventionsstrategien

Anhörung

Violeta Balog (Stellvertretende Vorsitzende von Amaro Foro e.V.)

Frau Balog verweist auf den Zwischenbericht der Dokumentationsstelle Antiziganismus (DOSTA) für das Jahr 2021. 56 Fälle von Diskriminierung von Sintize und Romnja im Alltag und öffentlichen Raum und 52 im Bereich der Leistungsbehörden seien dokumentiert. Insbesondere durch die interne Arbeitshilfe der Agentur für Arbeit „Bekämpfung von organisiertem Leistungsmissbrauch durch EU-Bürger – insbesondere rumänischer und bulgarischer Staatsangehöriger würden die Angehörigen dieser Minderheit zu Unrecht kriminalisiert. Aber auch bei anderen Leistungsbehörden, der Arbeitswelt, im der Bildung und beim Zugang zu Wohnraum gäbe es immer wieder antiziganistisch motivierte Ablehnung und Schikanen.

Dieser Diskriminierung versuche der Amaro Foro e.V. mit Beratung für Betroffene und Fortbildungsangebote für Mitarbeitende der Leistungsbehörden entgegen zu wirken.

Christoph Leucht (Hildegard-Lagrenne-Stiftung für Bildung, Inklusion und Teilhabe von Sinti und Roma in Deutschland)

Herr Licht zitierte die RomnoKher-Studie 2021, wonach 60 % der 600 betroffenen Befragten angaben, sich in der Schule diskriminiert gefühlt zu haben. Die Studie habe gezeigt, dass die Diskriminierungserfahrungen nicht abnehmen würden. Herr Leucht habe die Erfahrung gemacht, dass Schulmediatoren, die den Romnja oder Sintize angehören, die effektivste Maßnahme sei, um Vertrauen wieder herzustellen. Seiner Meinung nach müsste das Thema „antiziganistische Diskriminierung“ in den Rahmenlehrplan bereits für die Sekundarstufe I aufgenommen werden, um möglichst viele Menschen für die Problematik zu sensibilisieren. Hinsichtlich der Berufsabschlüsse habe sich die Situation schon verbessert. So seien bei den über 50 jährigen 80% und bei den 18 bis 25 jährigen 60% ohne Berufsabschluss. Hieran müsse jedoch noch gearbeitet werden. Hierzu biete die Hildegard-Lagrenne-Stifung für die Betroffenen Förderung bei der Erreichung formaler Bildungsergebnisse an.

Hamze Bytyci (RomaTrial e.V.)

Laut Frau Bytyci gibt es eine strukturelle und institutionelle Diskriminierung in allen Bereichen. In den Ämtern komme es zu Schikanen und einer Verweigerung von Leistungen. Jugendliche müssten vielfach für ihre Eltern übersetzen und würden so die Last der Verwaltung tragen. Dies sei für diese besonders belastend, wenn es um existentielle Fragen, wie beispielsweise Abschiebung gehe. Dies sei besonders in diesem Bereich schwierig, weil die Sprachmittler des Landesamtes für Flüchtlingsfragen viele Informationen nicht korrekt wieder geben würden.

Auch in der Schule werde eine massive Diskriminierung beobachtet. Es gelte der Satz „unbekannt macht unbeliebt“. Daher sei eine Früherziehung zu dem Thema Antiziganismus notwendig. Nur 8 % der Roma und Sinti würden die Lehrkräfte als Unterstützung wahrnehmen. Nur 15 % der unter Dreißigjährigen hätten einen Schulabschluss. Auch die Ausbildung werde nicht gefördert, weil das Ausbildungsgeld vom ALG II der Eltern abgezogen würde.

Svetlana Kostic (RomaniPhen e.V.)

Auch Frau Kostic sieht Diskriminierung in vielen Bereichen. Lediglich 20% der Romnja und Sintize würden als Flüchtlinge anerkannt. Dabei werde bei der Einstufung der sechs Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer die tatsächliche Situation für Romnja nicht berücksichtigt. Erkrankungen, Traumatisierungen infolge von Krieg, Diskriminierungen, der Desintegration würden außer Acht gelassen. Dass es sich bei den Betroffenen um Nachkommen von NS-Überlebenden und Widerstandskämpfer handele, werde übersehen.

Die Angehörigen der Minderheit lebten in prekären Wohnverhältnissen. Es gebe kaum Unterbringungsmöglichkeiten.

Die ersten Rassismuserfahrungen würden Kinder bereits in der Schule besonders durch Lehrkräfte machen. Sie würden gegen Rassismus nicht nicht geschützt. Hinzu käme Bildungsmaterial mit rassistischen Klischees.

Ferner gebe es Racial Profiling in vielen Bereichen. Bei der BVG käme es zu verbalen und körperlichen Übergriffen seitens der Fahrgäste und der Kontrolleure. Die Polizei führe verdachtsunabhängige Kontrollen durch und erfasse die Kontrollierten als Roma und Sinti. Selbst der Kinderschutzbund habe in seiner Maske die ethnische Zugehörigkeit zu diesen Minderheiten rechtswidrig erfasst.

Dotschy Reinhardt (Landesrat Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg e.V.)

Frau Reinhardt verwies auf die fehlende politische und juristische Aufarbeitung der Verbrechen an den Sinti und Roma während der NS-Diktatur. Bezüglich dieser Minderheit gebe es in der Gesellschaft ein Halbwissen, dass teilweise mit antiziganistischen Narrativen kontaminiert sei. Sinti und Roma würden nicht als Teil der Gesellschaft angesehen werden. Es bestünde daher ein großer Bedarf an authentischen Informationen für die Öffentlichkeit. Auch sie warb daher für eine Aufnahme der Geschichte von Sinti und Roma und die Auseinandersetzung mit dem Thema „Antiziganismus“ in die Lehrpläne von Schulen.

Allerdings dürfe man nicht nur Schwarz und Weiß sehen. Man müsse auch die Werkzeuge anerkennen, die man schon habe. So setze sich der Landesrat für eine Förderung junger Sinti und Roma bei der Sicherstellung deren beruflicher Zukunft ein. Gleichzeitig gibt es eine zukunftsgewandte Erinnerungs- und Kulturarbeit. Sie verwies ebenfalls auf das Melde- und Informationssystem für Antiziganismus (MIA), die antiziganistische Vorfälle erfasse, dokumentiere und auswerte.

Die Herausforderung sei, die Diversität, die Heterogenität von Sinti und Roma gerade in Berlin anzuerkennen.

Senatorin Dr. Kreck

Die Senatorin verwies auf 1.054 antiziganistische Vorfälle im Zeitraum vom 2014 bis 2021. Auch die LADG-Ombudsstelle erreichten fortlaufend Beschwerden zu antiziganistischen Diskriminierungen. Mit dem Landesantidiskriminierungsgesetz habe man jetz ein Werkzeug, um antiziganistischen Diskriminierungen von Landesbehörden justiziabel zu machen. Ferner setze sich der Senat für Professionalisierungsangebote und Sensibilitätsworkhops für Polizei, Träger, Freiwillige und Mitarbeitende von Leistungsbehörden ein. Ein Beirat für die Angelegenheiten von Romnja und Sintize sei für Herbst dieses Jahres geplant. Ferner arbeite man an der Bereitstellung sichere Unterkünfte für geflüchtete Romnja. In der zweiten Jahreshälfte werde ein partizipativer Prozess zur Einsetzung der Ansprechpersonen gegen Antiziganismus gestartet. Für diese Position seien im Haushalt ab 2023 bereits Mittel eingestellt.

Den Stream der Sitzung findet Ihr hier:

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