Im Rechtsausschuss ging es diesmal um die Rückkehr von ehemaligen AFD-MdB ins Richteramt, das Thema Trennung von Amt und Mandat, die Situation und Unterstützung von aus der Ukraine geflüchteten PoC und Anträge zur Antisemitismusbekämpfung und konfrontativer Religionsbekundung.
1. Aktuelle Viertelstunde
In der aktuellen Viertelstunde habe ich mich danach erkundigt, wie die Senatsverwaltung mit der Rückkehr der AFD-Bundestagsabgeordneten Birgit Malsack-Winkemann in das Richteramt der Berliner Justiz umgeht. Hintergrund der Frage war, dass in Sachsen der AFD-Bundestagsabgeordnete Jens Meier disziplinarrechtlich aus seiner Stelle als Richter entfernt wurde. Die Senatorin betonte, dass Richter*innen nach dem Abgeordnetengesetz einen Anspruch auf die Rückkehr in das Richterverhältnis haben und das Beamtenrecht hohe Anforderungen an die Untersagung der richterlichen Tätigkeit, der Versetzung oder zur Amtsenthebung stellt. Dies sind wichtige Grundsätze zum Schutz des Amtes und der Unabhängigkeit der Richter*innen. Allerdings muss sich der Dienstherr darauf verlassen können, dass die Richter*innen als glaubwürdige, unbefangene und die Verfassungsgrundsätze achtende Repräsentant*innen der rechtsprechenden Gewalt aufträten. Da das Bundesamt für Verfassungsschutz die AFD als Verdachtsfall ansieht, wird geprüft, ob und wie im Fall Malsack-Winkemann disziplinarrechtlich vorgegangen werden kann. Die Justizsenatorin regte an, dass sich das Abgeordnetenhaus mit der Frage beschäftigt, ob auch in Berlin das Institut der Richteranklage eingeführt werden soll, mit der auf Antrag des Berliner Landesparlaments das Bundesverfassungsgericht die Amtsenthebung eines Richters prüfen könnte. Auch ich halte dies für wichtig. Es ist zu prüfen, ob wir neben dem Disziplinarrecht ein weiteres Instrument brauchen, um mit extremistischen Richtern und Richterinnen umzugehen. Dem Thema werde ich mich annehmen.
Auf die Frage der Linken nach dem Berliner Beitrag zu der von der Bundesregierung eingesetzten Taskforce zur Umsetzung der EU-Sanktionen gegen Russland, gab die Senatorin an, dass die Senatsverwaltung für Justiz und die Senatsverwaltung für Wirtschaft bereits beteiligt wurden und bereits dafür gesorgt wurde, dass Notar*innen kontinuierlich informiert werden, damit sie bei ihrer Amtsausübung entsprechend handeln können. Dies brüße ich ausdrücklich
Die Frage der SPD bezog sich auf den Umsetzungsstand des Kathreiner-Hauses für den Umzug des Verwaltungsgerichts. Die geplante Fertigstellung bis 2024 ist, so räumte die Senatorin ein, nicht mehr haltbar. Da es sich bei dem Objekt um ein historisches Gebäude handelt, ist der Denkmalschutz involviert. Es besteht daher erheblicher Abstimmungsbedarf (Veränderung der Raumstrukturen, energetische Sanierung, außenliegender Sonnenschutz, vorgesetzter Glaspavillon usw.). Erst hiernach können Entwurfsplanung und Bauantrag erfolgen. Ferner wurden Mängel an der baulichen Substanz der Außenfassade entdeckt, deren Beseitigung höhere Kosten und Verzögerungen im Bauablauf bedeuten. Das Verwaltungsgericht verbleibt so lange in der Kirchstraße. Durch die Verzögerung sind auch dort ggf. Nachrüstungen notwendig.
Auf die Frage der CDU-Fraktion nach der Kooperationsvereinbarung zur Digitalisierung der Justiz mit dem Land Hamburg für die digitale Akteneinsicht, erklärte die Senatorin, dass es bereits ein Verwaltungsabkommen für eine digitale Verbundslösung bei Fachverfahren im Justizbereich (DataCenter Justiz) mit verschiedenen Bundesländern gibt. Die angesprochene Kooperationsvereinbarung aus dem 100-Tage-Programm bezieht sich auf eine weitere Verabredung mit dem Land Hamburg zur Integration der Akteneinsicht per Akteneinsichtsportal in die E-Akte. Die Länder sind sich im Grunde einig. Es gebe jedoch noch zu klärende Lizenzfragen.
2. Wahl (Nachwahl)
a) Wahl von Vertrauensleuten und Vertreterinnen/Vertretern für den bei dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg zu bestellenden Ausschuss zur Wahl der ehrenamtlichen Richterinnen und ehrenamtlichen Richter
b) Wahl von Vertrauensleuten sowie Vertreterinnen und Vertretern für den bei dem Verwaltungsgericht Berlin zu bestellenden Ausschuss zur Wahl der ehrenamtlichen Richterinnen und ehrenamtlichen Richter
Die von der SPD-Fraktion vorgeschlagenen Kandidat*innen wurden gewählt.
3. Antrag: Änderung der Verfassung von Berlin – Trennung von Amt und Mandat
AfD-Fraktion (Drucksache 19/0011: https://www.parlament-berlin.de/ados/19/Recht/vorgang/r19-0006-v.pdf)
Die AFD hat beantragt, dass die Verfassung dahingehend geändert wird, dass Senator*innen nicht gleichzeitig Abgeordnete sein können.
Als Vertreterin der Fraktionen der Koalition, der FDP und der CDU habe ich dazu ausgeführt, dass der Grundsatz der Trennung von Amt und Mandat grundsätzlich wertvoll und wünschenswert ist. Durch die Gewaltenteilung soll die gegenseitige Kontrolle der staatlichen Gewalt sichergestellt werden. Die klassische Gewaltenteilung stammt allerdings aus der konstitutionellen Monarchie und ist auch in einigen Demokratien, wie der USA, sehr ausgeprägt. Im Gegensatz zu den USA ist die Bundesrepublik jedoch anders aufgebaut. Aufgrund unserer parlamentarischen Demokratie haben wir eine eingeschränkte Gewaltenteilung (Gewaltenverschränkung). Die Exekutivspitze wird vom Parlament berufen und geht auch nicht selten aus diesem hervor. Die Regierung wird in einer Parteiendemokratie von einer Mehrheit im Parlament getragen. Verfassungsrechtlich und von der Systematik ist die Trennung von Amt und Mandat daher kein juristisches Muss. Die Kontrolle der Politik des Senats durch das Parlament findet durchaus auch statt.
Jeder Senator und jede Senatorin muss für sich selbst entscheiden, wie er oder sie persönlich mit diesem Grundsatz umgeht. Ich empfahl, den Antrag abzulehnen.
Beschluss: Der Ausschuss beschließt den Antrag abzulehnen. Es ergeht eine entsprechende Beschlussempfehlung an das Plenum.
4. Besprechung gemäß § 21 Abs. 3 GO Abghs
Die Diskriminierungssituation sowie Unterstützungs- und Beratungsstruktur in Berlin für aus der Ukraine Geflüchtete Schwarze Menschen und Menschen of Color (BPoC)
Die Senatsverwaltung macht hierzu deutlich, dass es sich bei den geflüchteten Menschen aus der Ukraine um eine sehr heterogene Personengruppe handelt. Teilweise hätten einige schon in der Ukraine diskriminierende Erfahrungen gesammelt. Hierzu gehören insbesondere Trans- und nicht binäre Menschen. Aus den unterschiedlichen Erfahrungen erwachsen unterschiedliche Bedarfe. Dies muss (…) auch bei der Unterbringung für besonders schützenswerte Communities eine Rolle spielen. Dementsprechend hat der Senat die Verteilung nach klaren, transparenten und nachvollziehbaren Kriterien wahrzunehmen. Dazu gehört anzuerkennen, dass es Personen gibt, die in besonderer Art und Weise vulnerabel sind. Eine Verteilung soll nur dorthin erfolgen, wo es eine entsprechende Infrastruktur gibt. Es werden ressortübergreifende Arbeitsgruppen eingeführt. Ziel soll die Gleichbehandlung aller Menschen, die vor dem Krieg geflohen sind, sein.
Besonders problematisch ist der Umgang mit Sintize und Romnja. Das Vorhandensein eines ukrainischen Passes wird häufig nicht geglaubt. Familien werden getrennt untergebracht oder sie finden keine Unterkunft. Häufig haben die Betroffenen Angst vor Trennung und Diskriminierung in größeren Unterkünften oder vor einer unsicheren Rechtslage. Es sind deshalb hierzu Handlungsempfehlungen erarbeitet worden. Vor Ort soll es besondere Ansprechpartner*innen geben. Es soll Sensibilisierungsfortbildungen gegen Antiziganismus für Helfer*innen geben. Romnjaorganisationen fordern spezielle Unterkünfte für die Betroffenen. Es besteht die Hoffnung, dass in Gesprächen mit den Communities die Bedarfe und Anforderungen abgefragt und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden können.
Bedenken bestehen jedoch auch bei anderen PoC. Diese lassen sich häufig aus Angst vor Abschiebung und Verlust eines hart erkämpften Studienplatzes in der Ukraine nicht registrieren. Daher kann die Anzahl der nicht registrierten Personen nur geschätzt werden.
Die Möglichkeit für alle seit Kriegsbeginn Eingereisten sich unabhängig von der Staatsangehörigkeit hier aufzuhalten, ohne den Aufenthaltstitel vorzeigen zu müssen, ist für weitere drei Monate verlängert worden.
5. a) Antrag: Arbeit der freien Träger bei der Antisemitismusbekämpfung langfristig sichern und finanzieren!
CDU – Drucksache 19/0213 –Beschlussempfehlung (parlament-berlin.de)
In diesem Antrag wird der Senat aufgefordert, Möglichkeiten einer längerfristigen Finanzierung für Träger aus dem Bereich Antisemitismusbekämpfung darzustellen. Begründet wird dieser Antrag mit hohen Fallzahlen an antisemitischen Straftaten in den vergangenen Jahren.
5. b) Antrag: Kein Wegducken bei konfrontativer Religionsbekundun
CDU – Drucksache 19/0102 Beschlussempfehlung (parlament-berlin.de)
In diesem Antrag wird der Senat aufgefordert, die Arbeit der Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundungen des Vereins für Demokratie und Vielfalt in Schule und beruflicher Bildung (DEVI e.V.) dauerhaft sicherzustellen. Begründet wird dies mit alarmierenden Forschungsergebnisses des Vereins. Ein systematisches Erfassen der Probleme sei notwendig, um repressivem Verhalten und ungeschriebenen Gesetzen auf dem Schulhof entgegenzutreten und ein umfassendes Bild des tatsächlichen Ausmaßes zu erhalten.
Zu beiden Anträgen gab es eine Anhörung von verschiedenen Experten*innen zu diesen Themen.
Prof. Dr. Michael Kiefer (Professor am Institut für Islamische Theologie der Universität Osnabrück)
Professor Kiefer berichtet von einem Modellprojekt „Case Management und Clearing“, das er seit 2016 an sechs großen Schulen aus NRW und Berlin mit zu Beginn 13.000 Schüler*innen durchführt. In den 3 ½ Jahren gab es insgesamt 63 Hinweise auf Fälle von Neosalafismus, Islamismus und Rechtsextremismus, von denen nach Überprüfung lediglich 30 Fälle (19 Fälle zu Neosalafismus und 11 Fälle zu Rechtsextremismus) übrigblieben. Die Problematik, so Kiefer, sei vorhanden, jedoch nicht zu dramatisieren.
Eine Prävention verlange immer einen Dreiklang an Informationen. Fundiertes Wissen sei wichtig über:
- drohende Ereignisse
- die bedingenden und hervorrufenden Faktoren und
- Ansatzpunkte und Gegenstrategien (pädagogische Interventionsstrategie)
Dabei seien folgenden Prämissen erforderlich:
- gemeinsamer Präventionsbegriff getragen vom gesamten Schulkollegium und Akteuren*innen
- gemeinsame Präventionsziele (Thematisierung von Zielkonflikten)
- klar konturierte Zielgruppe (An wen richtet sich die Maßnahme?)
Der Gefahr der negativen Markierung einzelner Gruppen kann dadurch begegnet werden, dass alle Formen des Extremismus gleichbehandelt und interveniert werden.
Mark Rackles (früherer Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie)
Herr Rackles stellt zu Beginn klar, dass der DEVI e.V. keine Forschungsstelle sei und auch keine Forschung betreibe. Die Veröffentlichung des Vereins sei keine Studie im wissenschaftlichen Sinne. Von acht befragten Schulen hätten lediglich vier angegeben, dass der Schulalltag deutlich belastet sei. Es habe lediglich mit einer Person ein konkretes Gespräch gegeben. Es fehle daher die wissenschaftliche Basis.
Der Vorwurf des Wegduckens sei falsch. In Berlin gebe es eine Vielzahl von Unterstützungssystemen und Empowerment Projekten, die sich den Themen Diskriminierung, Ausgrenzung, Antisemitismus, Mobbing und auch des interreligiösen Dialogs annehmen. Das Bild vom Toleranzwahn und falsch verstandener Toleranz sei eine politische Unterstellung. Es gebe kein Zuviel an Toleranz in einer demokratischen Gesellschaft.
Das Projekt stelle inhaltlich faktisch nur auf die konfrontativen Bekundungsformen des Islam ab. Dies sei stigmatisierend und kontraproduktiv in Bezug auf den Ausbau integrativer und dirkiminierungssensibler Unterstützungsstrukturen.
Fachleute würden daher vorschlagen:
- Förderung und Ausbau der Arbeit der Antimobbingbeauftragten des Senats
- Förderung und Ausbau diskriminierungskritischer Regelstrukturen und keine zusätzlichen neuen Parallelstrukturen in privater Hand
- Demokratiepädagogische und diskriminierungskritische Aus-. Fort- und Weiterbildung aller am Schulleben Beteiligter (auch Schulverwaltung/Schulaufsicht)
- Einrichtung einer zentralen unabhängigen Beschwerdestelle für Diskriminierung in Schule und Kita
- Entwicklung eines datenschutzkonformen, stadtweiten Monitorings von Mobbing und Diskriminierung durch die LADS und die neu zu bildende Beschwerdestelle
Marina Chernivsky (geschäftsführendes Vorstandsmitglied OFEK e.V.), Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung)
Frau Chernisvsky erklärte, dass Konflikte der Gesellschaft in der Schule überspitzt werden. Schüler*innen und erwachsene Verantwortungsträger/Lehrer brächten Rassismus, Antisemitismus usw. in ihrem Lebensgepäck mit. Eine quantitative Studie aus 2020 habe ergeben, dass es erheblichen Nachholbedarf bei den pädagogischen Verantwortlichen gebe. Religiöses Mobbing oder auch konfrontative Religionsausübung bedürfe einer Präzisierung, die sich keineswegs nur auf Jugendliche beziehen dürfe. Stigmatisierung und negative Markierung von Jugendlichen, Kindern und Familien, die als muslimisch gelesen und verstanden werden, könnte sich auf Lebensentwürfe auswirken und gewisse Dynamiken und Verhaltensweisen nach sich ziehen. Eine Prävention, die eine Gruppe herauspickt und diese unter einen kollektiven Verdacht stellt, misslinge, weil sie
a) Kinder- und Jugendliche als Problem ansehe,
b) ihre Verhaltensprobleme, vielleicht auch Entwicklungsdynamiken und Herausforderungen, über eine kollektive Zugehörigkeit zu einem tatsächlichen oder vermeintlichen Kollektiv erkläre.
Die Situation sei oft überkomplex. Eine Person oder Gruppe könnte sowohl Auslöser einer Attacke als auch Betroffener sein. Eine vereinfachte, simplifizierte Betrachtung und Einordnung gefährde nicht nur den Schulfrieden, sondern auch die gesunde Entwicklung eines einzelnen Kindes und die Entwicklung seiner sozialen und personalen Identität, die im Rahmen einer negativen Markierung nicht möglich ist.
Praktisch gelinge dies, bei Vorhandensein professioneller Standards und wenn die Maßnahmen auf die gesamte Schülerschaft und auch an die Erwachsenen adressiert sind.
Die Fort-, Weiter- und Ausbildung von Erwachsenen in schulischen Bereich, in denen es um selbstreflexive, diskriminierungskritische Konzepte und um Ansätze, die auch mit einer Selbsterfahrung von Lehrkräften einhergehe, auch im Hinblick auf die Bewertung und Einordnung von Schüler*innen und der Bearbeitung von Konflikten, müsse verstetigt werden. Ferner sei mehr Forschung zur Manifestation von Antisemitismus, Rassismus, antimuslimischen Rassismus an Schulen, anderen Orten und in sozialen Sphären und deren Auswirkung auf die Betroffenen erforderlich. Hierzu gebe es keine Untersuchungen.
Carl Chung (Fachleiter für politische Bildung & Projekte „Jehi Ór – jüdisches Bildungswerk für Demokratie – gegen Antisemitismus“)
Herr Chung erklärte, dass es seiner Auffassung nach insbesondere an Schulen in Quartieren, an denen soziale Benachteiligung, Bildungsarmut und traditionell-patriarchalische Orientierungen in Verbindung mit streng-konservativen, traditionellen religiösen Vorstellungen vorherrschen, es die Instrumentalisierung von Religion und religiös begründeten Traditionen mit dem Zweck der Provokation, Einschüchterung und Demonstration von Dominanz gebe. Auch er fordere mehr Forschung und Unterstützung.
Tobias Nolte (Lehrer an der Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli)
Herr Nolte berichtet von dem seit 2018 stattfindenden Projektkursen „naher Osten“ in den Jahrgängen 9 und 10 und dem Zusatzkurs „Glauben und Zweifel“ in den Jahrgängen 12 und 13 an seiner Gemeinschaftsschule. In diesen Kursen gehe es um Themen, die die Schüler*innen emotional beschäftigen, die Widersprüche zwischen Religion und Wissenschaft und die unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten religiöser Texte, sowie deren Einordnung in den historischen Kontext. Gemeinsam mit den Schüler*innen werde über ihr Gottesbild, und Dinge, wie Kopftuch, Bedeutung des Ramadan und die Unterschiede zwischen Sunniten und Schiiten gesprochen. Auch Konflikt in der Migrationsgesellschaft würden bearbeitet. Wenn Schüler*innen vom Verlust der Heimat der palästinensischen Großeltern oder das Aufwachsen der Eltern in libanesischen Flüchtlingscamps erzählen, würde sich auch die eigene Perspektive verändern. Auch für die Jugendlichen seien diese Kurse eine emotionale Herausforderung.
Um der Komplexität dieser Themen gerecht zu werden, werde viel Zeit benötigt. Daher würden diese Kurse wöchentlich in den Stundenplan integriert.
Dem Problem des Sexismus, Homo- und Transfeindlichkeit, antisemitische und rassistische Aussagen müsse man präventiv begegnen. Es müssten viele Gesprächsräume im Unterricht geben, auch situativ. Wenn es zu problematischen Äußerungen käme, würden Jugendliche aufgefordert ihre Position zu erläutern. Reflexion werde angeregt. Problematische Haltungen könne man nicht wegsanktionieren. Problematische Positionen seien kein sofortiger Grund für Sanktionen, sondern ein Anlass für Gespräche auf Augenhöhe mit Nachfragen ohne Schaum vor dem Mund. Der Reflex, gesellschaftliche Probleme auf den Islam zurückzuführen, würden Jugendliche immer wieder erleben. Dies führe zu einer Überidentifikation mit dem Islam, um Erfahrungen von Ausgrenzung und Diskriminierung aufgrund ihrer religiösen Zugehörigkeit etwas entgegenzusetzen. Wenn Kinder und Jugendliche den Eindruck hätten, dass die Schule ein Raum ist, der das Individuum in den Blick nimmt und in dem es genug Raum gebe für ihre Interessen und Fragen, werde es weniger konfrontative Situationen geben, und das nicht nur in religiöser Hinsicht. Damit Schulen solche Angebote machen könnten, sei eine Finanzierung notwendig, damit man den Herausforderungen, die der Antisemitismus in all seinen verschiedenen Ausformungen mit sich brächten, gerecht werden könne.
Die Forderung nach einer Anlauf- und Dokumentationsstelle für konfrontative Religionsbekundung stärke jedoch nur die Erzählung: „Die sind gegen uns. Die akzeptieren uns nicht.“ Dies sei kein Lösungsansatz für die Herausforderungen. Notwendig sei gemeinsames Nachdenken und Reflektieren.
Die Anhörung wurde wegen Zeitablaufs an dieser Stelle beendet und wird fortgesetzt.
Die Anträge wurden vertagt.
Nach dem Punkt „Verschiedenes“ wurde die Sitzung geschlossen.
Hinweis:
Wer sich die Ausschusssitzung noch einmal ansehen möchte, findet hier die Videoaufzeichnung: https://youtu.be/z2inMqJw1Ns
Alle Unterlagen und Protokolle finden Sie hier: https://www.parlament-berlin.de/dokumente/sitzungsuebersicht?Wahlperiode=19&Ausschuss=19-ausschuss-fur-verfassungs-und-rechtsangelegenheiten-geschaftsordnung-antidiskriminierung
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