Statement Petra Vandrey, Rechtspolitische Sprecherin, Bündnis 90 / Die Grünen
Die Milliardeneinsparungen im Haushalt 2025 sind schmerzhaft für ganz Berlin. Im Fokus der Öffentlichkeit stehen vor allem die drastischen Einsparungen im Kulturbereich. Betroffen ist aber auch der Bereich der Justiz. Schaut man sich die Zahlen an, könnte man auf den ersten Blick meinen, die Justiz sei im Verhältnis zu anderen Ressorts wenig betroffen. Richtig ist, bei den Gerichten und den Staatsanwaltschaften nicht zu sparen. Der Rechtsstaat muss reibungslos funktionieren. Es lohnt jedoch, genauer hinzuschauen. Dann nämlich offenbart sich ein Desaster, das hinter den Zahlen steckt.
Extrem gekürzt wird in Bereichen, die dafür sorgen, dass straffällig gewordene Menschen nicht rückfällig werden und beim Opferschutz – das halten wir angesichts der Zunahme von häuslicher Gewalt bis hin zu Femiziden für unverantwortlich. Die Resozialisierung Straffälliger ist seit Jahren ein wichtiger Baustein in der Kriminalitätsbekämpfung. Sie hilft, die Rückfallquoten zu senken und ist unverzichtbar für die Gesellschaft. Zu Recht spricht Olaf Heischel, Vorsitzender des Berliner Vollzugsbeirats von einer „Kürzungsorgie“ in diesem wichtigen Bereich.
Auf meine Frage im Rechtsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses am 4. 12. 2024 blieb Justizsenatorin Badenberg unkonkret – nun erfahren die Einrichtungen und freien Träger durch Mitteilungen der Senatsveraltung für Justiz nach und nach, was tatsächlich auf sie zukommt.
Projekte werden extrem, bis zu 60 % gekürzt, so dass bei vielen nicht einmal klar ist, ob sie ihre Arbeit überhaupt fortsetzen können. Das betrifft nicht nur den Menschen, denen dann nicht mehr geholfen wird, das betrifft auch die engagierten Menschen, die in diesen Bereichen gesellschaftlich wichtige Arbeit leisten. Langjährig aufgebaute Netzwerke und Expertise gehen verloren.
Von den Kürzungen im Justizbereich sind u. a. betroffen:
- Freie Straffälligenhilfe: Hierbei geht es um die Resozialisierung Straffälliger, beispielsweise die Begleitung von Kindern Inhaftierter und das Übergangsmanagement vom Strafvollzug in die Freiheit. Wenn Menschen dabei allein gelassen werden, beispielsweise nach der Entlassung ohne Wohnung sind, wird die Rückfallquote steigen. Die Sozialen Dienste der Justiz sind bereits ausgelastet und könnten die bei den freien Trägern entstehende Versorgungslücke nicht füllen.
- Projekt „Arbeit statt Strafe“: Hierbei geht es um das Ableisten von Strafen durch gemeinnützige Arbeit. Ein Wegfall würde zu einer höheren Belastung der Justiz führen. Fällt die „freie Arbeit“ weg, werden mehr Menschen Ersatzfreiheitstrafen in den Gefängnissen absitzen – auf Kosten der Steuerzahler*innen. Das ist langfristig viel teurer als die Mittel für das Projekt.
- Gefängnistheater aufBruch: Geplante Kürzung um 70 %, was das Ende des vielfach ausgezeichneten Projekts bedeuten könnte, das in Berlin seit 27 Jahren besteht.
- Religiöse Betreuung für Muslime in den Gefängnissen. Dafür werden jetzt 750.000 Euro für christlich religiöse Betreuung von Gefangenen veranschlagt, obwohl die Mehrheit der Gefangenen in Berlin nicht christlichen Glaubens ist.
- Servicestelle Wegweiser: Ein wichtiges Projekt der Täterarbeit, das mit Tätern häuslicher Gewalt arbeitet, um sie zu Verhaltensänderungen zu bewegen, häusliche Gewalt langfristig zu unterbinden und Gewaltopfer langfristig zu schützen. Das Projekt ist ohnehin mit einem kleinen Budget ausgestattet und kommt knapp über die Runden. Jede Kürzung würde die Arbeit stoppen.
- Proaktiver Opferschutz (BIG Hotline): Seit 20 Jahren etablierter Ansatz zur Unterstützung von Opfern häuslicher Gewalt, trägt maßgeblich dazu bei, Opfer innerhalb von 24 Stunden zu kontaktieren und zu unterstützen. Wenn hier gespart würde, müssten vor allem Frauen, die von Gewalt betroffen sind, auf schnelle Hilfe verzichten.
Der schwarz-rote Senat betreibt im Justizbereich Klientelpolitik. Gespart wird nicht an „law and order-Maßnahmen“, aber an vielen sozialen und auf Resozialisierung und Opferhilfe ausgerichteten Projekten. Hier werden langjährig aufgebaute Hilfestrukturen kaputtgespart. Das ist zu kurz gedacht – ohne Resozialisierung, Prävention und effektiven Opferschutz wird die Gesellschaft weiter auseinanderdriften und die Kriminalität wird steigen. Die langfristigen gesellschaftlichen Folgen einer solchen zu kurz gedachten Politik sind verheerend.
Die Konsequenzen dieser Politik:
- Mehr Gewalt: Opfer häuslicher Gewalt, das sind in erster Linie Frauen, werden nicht mehr ausreichend frühzeitig unterstützt. Mit Tätern kann nicht mehr ausreichend gearbeitet werden, um neue Straftaten langfristig zu unterbinden. Neuen Straftaten wird nicht ausreichend vorgebeugt. Das Risiko für Eskalationen wächst.
- Weniger Sicherheit: Straffällige ohne Resozialisierung landen schneller wieder in der Kriminalität, vor Gericht – oder auf der Straße.
- Höhere Kosten: Rückfälle und neue Straftaten belasten Gerichte, Polizei und die Steuerzahler*innen langfristig stärker als jede präventive Maßnahme.
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