Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen!
Ich finde so ähnlich wie Herr Schlüsselburg, Rechtspolitik ist überhaupt keine trockene Politik. Gerade das Insolvenzrecht ist für viele Gewerbetreibende in Berlin während Corona mehr als wichtig. Gegen das globale Ziel des FDP-Antrags, Unternehm-rinnen und Unternehmer zu schützen, die durch die Pan-demie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind, ist überhaupt nichts einzuwenden. Natürlich ist es richtig, sich in Coronazeiten um die Wirtschaft zu kümmern.
Nach unserer Auffassung ist der Ansatz der FDP in dieser Form des Antrags bloß nicht geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Zunächst gibt es hier ein Kompetenzproblem. Die Gesetzgebungskompetenz liegt beim Bund, nicht beim Land. Die in dem Antrag genannten Regelungen, also das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz, die Insolvenzordnung, die Gewerbeordnung usw., sind allesamt Bundesrecht, nicht Landesrecht. Der Antrag wendet sich also im Prinzip anden falschen Adressaten.
Da wir einzelne Punkte durchaus sinnvoll finden, haben wir diese aber genauer angeguckt. Zu Punkt1 Ihres Antrags: Mit dem Antrag möchten Sie die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis August 2021 verlängern. Derzeit ist die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags noch bis Ende April 2021 ausgesetzt, aber nur für solche Unternehmen, die im Zeitraum von November bis Februar einen Antrag auf finanzielle Hilfen gestellt haben. Ob und unter welchen Voraussetzungen genau die Aussetzung der Antragspflicht über April 2021 hinaus sinnvoll ist, ist eine wirtschaftspolitische Frage, die man auch unseres Erachtens durchaus überlegen kann, die allerdings der Bund zu entscheiden hat, wie eingangs schon erläutert. Im Übrigen wird ja derzeit von Woche zu Woche entschieden. Wie es nach Ostern aussieht, ist also noch nicht absehbar.
Mit dem zweiten Punkt in ihrem Antrag möchte die FDP, dass es keine Gewerbeuntersagung mehr gibt, wenn eine mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erst ab März eingetreten ist. Auch diesen Punkt haben wir uns genau angeschaut. In dieser Allgemeinheit können wir dem Punkt nicht folgen. Nach geltendem Recht begründet anhaltende Überschuldung die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden, was im Sinne eines vernünftigen Wirtschaftsverkehrs unerlässlich ist, es sei denn, er kann im Einzelfall nachweisen, dass er an einem Sanierungskonzept arbeitet. Es muss also immer eine Einzelfallprüfung geben. Vorstellbar wäre aus meiner Sicht durchaus, ein überschuldetes Gewerbe nicht zu untersagen, wenn im betreffenden Einzelfall die wirtschaftlichen Schwierigkeiten allein auf der Pandemie beruhen. Hier müsste der Antrag noch differenzierter werden.
Mit ihrem dritten Punkt möchte die FDP ein erleichtertes Insolvenzverfahren, praktisch eine Alternative zum jetzigen Insolvenzerfahren schaffen. Nach jetzigem Recht weist das Insolvenzgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens immer dann ab, wenn das Vermögen des Schuldners nicht ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken, also mangels Masse. Folge ist die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis, was ja durchaus sinnvoll ist zum Schutz des Geschäftsverkehrs. Aber ein ganz wichtiger Punkt für uns Grüne ist auch der Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die in diesem Fall nämlich einen Anspruch darauf haben, Insolvenzgeld zu bekommen. Es ist auch eine Regelung für die Altersversorgung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorgesehen. Das fehlt in Ihrem Antrag und müsste noch nachgebessert werden.
Mit Punkt 5 möchte die FDP den Senat auffordern, eine Strategie für die Übergangszeit zu erarbeiten, also für die Zeit nach der Pandemie. Dieser Punkt enthält nun leider überhaupt keine konkreten Ansätze und bleibt sehr im Allgemeinen stecken.
Im Fazit können wir den FDP-Antrag in dieser Form nicht mittragen, auch wenn er durchaus einige überlegenswerte Punkte enthält. Der Antrag richtet sich aus unserer Sicht in seinen vier ersten Punkten auch an den falschen Adressaten. In Punkt 5 ist er, wie erläutert, aus unserer Sicht zu allgemein.
Ganz im Gegensatz dazu haben wir als Regierungsfraktionen konkrete wirtschaftliche Hilfen auf den Weg gebracht, zum Beispiel die Neustarthilfe Berlin, mit der bis Mitte des Jahres Soloselbstständigen und kleinen Unternehmen geholfen wird. Geplant ist zum einen, dass kleinere Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe einen Zuschuss von bis zu 1000Euro je beantragtem Monat erhalten; zum anderen soll der Betrag der Neustarthilfe des Bundes für Soloselbstständige, und zwar extra für Berlin –das finde ich prima –, erhöht werden. Damit unterstützt das Land Berlin insbesondere Soloselbstständige, die im Jahr 2019 niedrige Umsätze erwirtschaftet haben. Mit diesen ganz besonderen Landeshilfen für Berlin helfen wir kleinen Berliner Unternehmen und Selbstständigen ganz konkret.
Über einzelne Punkte Ihres Antrags wird sich jedoch in den Ausschüssen reden lassen. Herzlichen Dank!
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