Sexualisierte Gewalt: Zahlen steigen, Verurteilungen sinken

Gemeinsam mit meiner Kollegin Marianne Burkert-Eulitz habe ich den Senat mit einer schriftlichen Anfrage zur Entwicklung von Sexualstraftaten in Berlin konfrontiert. Die Ergebnisse sind ernüchternd – und werfen schwerwiegende Fragen auf.

Laut der Antwort des Senats ist die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen sexualisierter Gewalt in den vergangenen Jahren massiv gestiegen. Während im Jahr 2019 rund 3.600 Verfahren eingeleitet wurden, waren es 2024 bereits über 12.000. Besonders deutlich zeigt sich dieser Anstieg bei Vergewaltigungen (§ 177 StGB) und bei Sexualdelikten zum Nachteil von Kindern (§ 176 ff. StGB). Gleichzeitig ist die Zahl der Verurteilungen in diesen Bereichen drastisch zurückgegangen – etwa von 140 im Jahr 2020 auf nur noch 42 im Jahr 2024.

Der Senat verweist zur Begründung auf die schwierige Beweislage in sogenannten Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen, auf traumatisierte oder aussageunwillige Opfer sowie auf die hohen rechtsstaatlichen Anforderungen an die Beweisführung. Diese Aspekte sind zweifellos relevant – doch sie erklären nicht, warum die Schere zwischen Anzeigen und Verurteilungen immer weiter auseinandergeht. Die Beweislage bei Sexualstraftaten war schon immer schwierig. Dass die Zahl der Verurteilungen trotzdem so stark fällt, deutet auf strukturelle Probleme in der Berliner Strafverfolgung hin.

Auch die taz hat über unsere Anfrage berichtet und die besorgniserregende Entwicklung aufgegriffen. Im Artikel Gewalt gegen Frauen: Da passt etwas nicht zusammen wird deutlich, dass die Berliner Polizei im Jahr 2024 über 42.000 Frauen als Opfer von Gewalt registrierte – ein historischer Höchststand. Gleichzeitig kündigt der Senat Kürzungen bei den Mitteln für den Gewaltschutz an. Das ist das falsche Signal.

Ich habe gegenüber der taz deutlich gemacht:

„Die Begründung der Senatsverwaltung überzeugt mich nicht. Die Beweislage bei Sexualstraftaten war schon immer schwierig. Das allein erklärt nicht, warum die Zahl der Verurteilungen sinkt.“

Und weiter:

„Aber gerade deswegen brauchen diese Frauen Unterstützung von Opferschutzverbänden.“

Zudem habe ich betont:

„Die Senatsverwaltung für Justiz streicht bei den Fortbildungen für Richterinnen und Richter. Dabei ist ein umfangreiches Angebot an qualifizierten Fortbildungen im Bereich sexualisierter Gewalt unbedingt erforderlich.“

Wir Grünen setzen uns dafür ein, dass Berlin im Kampf gegen sexualisierte Gewalt nicht nur auf dem Papier handlungsfähig ist. Dazu gehören:

  • eine ausreichende personelle Ausstattung bei Polizei und Justiz,
  • verbindliche Fortbildungen im Bereich Sexualstrafrecht und Aussagepsychologie,
  • und ein verlässlich finanzierter Opferschutz.

Mehr Anzeigen sind kein Erfolg, wenn sie nicht zu mehr Gerechtigkeit führen. Opfer sexualisierter Gewalt brauchen Vertrauen in die Justiz – und eine Stadt, die sie schützt.