Die Rückfallquote nach Haftstrafen ist noch immer hoch. Es zeigt sich, dass „Wegsperren“ allein nicht der Weg sein kann, mit Straffälligen umzugehen.
Resozialisierung stärken – Menschenwürde und Sicherheit gemeinsam denken
Die Resozialisierung Strafgefangener muss wieder mehr in den Vordergrund rücken. Strafvollzug hat den Sinn, dass straffällig Gewordene nach ihrer Haft wieder Teil der Gesellschaft werden. Resozialisierung ist langfristig klüger als die Verwahrung von Gefangenen, da Resozialisierung die Gesellschaft nachhaltig vor Straftaten schützt. Zudem ist die Freiheitsstrafe eingriffsintensiv. Die Entziehung der Freiheit ist Strafe genug. Haftbedingungen müssen menschenwürdig sein, Grundrechtsschutz gilt auch für inhaftierte Menschen.
Menschenwürdige Haftbedingungen schaffen – Resozialisierung durch moderne Justizvollzugsanstalten
Wichtig für die Resozialisierung ist eine menschenwürdige Unterbringung von Strafgefangenen. In Berlin sind viele Haftanstalten in historischen und denkmalgeschützten Gebäuden untergebracht – Hafträume sind teils so klein, dass dies sogar verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. In der Justizvollzugsanstalt Tegel wird die Teilanstalt III saniert, dysfunktionale Bereiche wurden abgerissen, es soll ein Neubau entstehen, der bessere Haftbedingungen bietet.
Zweite Chance ermöglichen – Resozialisierung stärken, Diskriminierung abbauen, Zukunftsperspektiven schaffen
Der offene Vollzug ist der Regelfall und am besten geeignet, um die Gefangenen zu resozialisieren. Die Verbindungen zur Familie und zu einer Erwerbstätigkeit können so am besten aufrecht erhalten werden. Elternteile, die in Haft sind, brauchen Beziehungen zu ihren Kindern ebenso, wie die Kinder Inhaftierter ihre Eltern brauchen. Projekte, die Kinder Inhaftierter begleiten und den Kontakt zu den Eltern unterstützen, wollen wir fördern. Den offenen Vollzug wollen wir stärken, insbesondere im Jugendstrafvollzug. Den Anteil der vorzeitigen Entlassungen in Berlin wollen wir erhöhen. Projekte wie „Arbeit statt Strafe“, bei dem Menschen gemeinnützige Arbeit verrichten, statt eine Freiheitsstrafe zu verbüßen, wollen wir wieder stark machen. Die besondere Situation von LSBTIQ* und für Menschen mit HIV im Strafvollzug werden wir weiterhin besonders berücksichtigen und treten für einen diskriminierungsfreien Umgang ein. Strafgefangene brauchen mehr und zeitgemäße Möglichkeiten zur Weiterbildung und eine bessere Betreuung vor und nach der Entlassung, besonders substituierte Gefangene. Das von uns initiierte Projekt „Resozialisierung durch Digitalisierung“ möchten wir weiter vorantreiben, damit alle Gefangenen, bei denen dies zu verantworten ist, Zugang zu Internet und E-Mail erhalten – um den Kontakt mit ihren Familien zu verbessern, digitale Bildungsangebote zu nutzen und sich am Ende der Haft um einen Job zu bewerben. So funktioniert Resozialisierung und so wird die „zweite Chance“ auch eine echte Chance. Resozialisierung gelingt nur mit engagierten und gut ausgebildeten Bediensteten. Wir werden daher die Attraktivität des Allgemeinen Vollzugsdienstes weiter steigern und ihn flexibler gestalten. Im Bereich des Jugendstrafrechts und des Jugendstrafvollzugs stehen der Erziehungsgedanke und die Prävention für uns im Mittelpunkt. Auch die Arbeit in der Haft dient der Resozialisierung. Wenn Menschen im Gefängnis einer Arbeit nachgehen, sind sie angemessen zu vergüten. Mit seinem Urteil vom 20. Juni 2023 hat das Bundesverfassungsgericht unmissverständlich klargestellt: Inhaftierte, die im Gefängnis arbeiten, verdienen zu wenig, eine Vergütung pro Stunde zwischen zwei und drei EUR drückt keine Wertschätzung aus. Hier ist in Berlin eine Anpassung vorzunehmen, die Inhaftierte auch in die Lage versetzt, Schulden in Raten abzutragen und Unterhaltszahlungen zu erbringen. Unerlässlich für eine gelingende Resozialisierung ist zudem, die Finanzierung der Träger der Straffälligenhilfe zu gewährleisten, die sich dafür einsetzt, dass Straffällige nach der Haftentlassung ein verantwortliches Leben in Freiheit führen, ohne erneut straffällig zu werden. Die Gefangenen von heute sind unsere Nachbar*innen von morgen.
Suizidprävention in den Gefängnissen
In den Berliner Justizvollzugsanstalten hat es im Jahr 2024 fünf Suizide und 37 Suizidversuche gegeben. In vielen Fällen lagen bereits vorab Hinweise auf psychische Krisen vor. Die Suizidrate in Gefängnissen ist wesentlich höher als außerhalb der Gefängnismauern.
Der Strafvollzug darf kein blinder Fleck in der psychischen Gesundheitsversorgung bleiben.
Wir fordern ein berlinweites, verbindliches Suizidpräventionskonzept mit klaren Standards, personeller Ausstattung und Transparenz über die Ergebnisse. Das „Suizidscreening“, dem die Inhaftierten bei ihrer Aufnahme in einem Gespräch unterzogen werden, muss regelmäßig stattfinden. Die Tatsache, dass vor einem Suizid in vielen Fällen bereits vorher Anzeichen seelischer Not erkennbar waren, zeigt deutlich: Es braucht dringend bessere Strukturen zur Früherkennung und Intervention.